Das Beste aus
Bordeaux und Burgund?

Große Gewächse, Große Lagen und der VDP

Daniel Deckers
Frankfurter Allgemeine Zeitung/Hochschule Geisenheim University
A propos: Zwischen Herbst 2021 und Winter 2022 erschienen in der Kolumne „Wein und Zeit“ von „Fine. Das Weinmagazin“ eine Folge von fünf Essays, die sich mit den wichtigsten Entwicklungen auf dem Feld des deutschen Spitzenweines seit den frühen 1970er Jahren befassten. In Anlehnung an das geflügelte Wort vom „Deutschen Küchenwunder“ standen die Essays unter dem Motto „50 Jahre Deutsches Weinwunder“. Höhepunkt und Abschluss der Serie war ein Text, in dem in Heft 4/2022 die Geschichte der „Großen Gewächse“ des VDP seit ihren Anfängen bis zu ihrem 20. Geburtstag Ende August 2022 rekonstruiert wurde. Der vorliegende Essay erzählt diese Geschichte ungleich umfang- und entsprechend detailreicher, aber nicht minder spannend.

Rund 460 Spitzenweine aus allen deutschen Anbaugebieten, die Vierer- oder Fünfer-Flights sorgfältig nach Regionen und Rebsorten kuratiert, drei Tage absolute Stille und äußerste Konzentration – auch in diesem Jahr versammelt die Vorpremiere der „Großen Gewächse“ des Verbands deutscher Prädikatsweingüter (VDP) wieder hunderte Fachleute aus aller Welt in den Kolonnaden des Wiesbadener Kurhauses. Denn als wären der neue Jahrgang 2022 der Weißweine und die ebenfalls noch sehr jungen Rotweine der Jahrgänge 2021 und älter nicht schon Anreiz genug, so ist die Veranstaltung auch dank ihres Ambientes längst zu einer festen Größe in der Welt des Weines geworden.

„Lagen von Weltruf“

Ebenso wie die weißen und roten Spitzenweine des VDP, so ruft auch die Weinstadt Wiesbaden mit ihrem legendären Kurhaus die Erinnerung wach an die Hochzeit der weltweiten Wertschätzung der Rieslingweine vom Rhein und seinen Nebenflüssen: Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, ja selbst noch bis in die 1970er Jahre hinein galten die klassischen „Hocks“ – so der bis heute im Englischen geläufige Sammelname für die Weine aus dem Rheingau, aus der (vormaligen) Rheinpfalz und von der rheinhessischen Rheinfront –, die „Moselles“ und „Steinwein“ als die „perchance best still white wines in the world“. Dass mit diesem Urteil des franko-britischen Weinfachmanns André Simon (1877-1970) nahezu ausschließlich Weine gemeint waren, die von Mitgliedern des Verbands deutscher Naturweinversteigerer (VDNV) erzeugt wurden, war kein Zufall. Diese besaßen, wie sie stolz auf ihren Etiketten festhielten, „Lagen von Weltruf“.

Allerdings lässt sich nicht nur die Geschichte des Weinbaus in Deutschland als ein Wechselbad der Gefühle mit Höhen und Tiefen (be)schreiben, sondern auch die des VDP. So wäre es 1971 um ein Haar um den traditionsreichen, 1910 gegründeten Verband geschehen gewesen. Was die Nationalsozialisten nicht zu Wege gebracht hatten, das schien mit der abnehmenden Bedeutung der Weinversteigerungen, dem Verbot des Begriffs „Naturwein“, dem Zerfall der meisten Regionalverbände und dem Weingesetz von 1971 unwiderruflich einzutreten: die Auflösung des Verbandes. Dass es anders kam, ist im Wesentlichen einem Mann zu verdanken: Der Besitzer des Weingutes Heyl zu Herrnheim in Nierstein, der Physiker Peter von Weymarn, konnte das Debakel mit einer einzigen aufrührenden Rede abwenden. Wer seine Stimmen nicht bündelt, so hielt er es den 16 Mitgliedern (von etwa 80) vor, die eigentlich zusammengekommen waren, um den Verband zu Grabe zu tragen. Der Beschluss wurde fürs Erste ausgesetzt.

1972 wurde Weymarn prompt zum Präsidenten des Verbandes gewählt – aber was für einem. Niemand hatte einen Überblick darüber, wer ihm überhaupt noch angehörte, wer wann zuletzt Beiträge gezahlt hatte und wie der Verband sich nennen sollte - falls er überhaupt überleben sollte. Es dauerte mehrere Jahre, bis der nunmehr sogenannte „Verband der Prädikats- und Qualitätsweingüter“ (VDP) wieder an die Öffentlichkeit treten sollte. „Kennen Sie diesen Adler?“ war auf einem DIN-A-4-Blatt zu lesen, das 1976 die Kernbotschaften des Verbandes in deutsch und englischer Sprache festhielt. Was der Verband wollte, ließ sich aber auch schmecken. Aus der von Peter von Weymarn 1974 ins Leben gerufenen Rheinhessischen Weinbörse war erstmals die „Mainzer Weinbörse“ geworden. Sie sollte noch auf Jahrzehnte die einzige Bühne sein, auf der die Mitglieder des VDP in zunehmend größerer Zahl ihre Weine einem Fachpublikum präsentierten.

„Lagenklassifikation“ war das Zauberwort

Fast drei Jahrzehnte, viele Konflikte innerhalb des VDP und manche Skandale in der deutschen Weinwirtschaft später bekam die Weinbörse Konkurrenz – durch die alljährliche Präsentation derjenigen Weine des neuen Jahrgangs, die in Mainz nicht gezeigt werden durften: den sogenannten „Grossen Gewächsen“. Weißweine, die sich anfangs mit dem Signet „1L“ (für Erste Lage) und später mit „GG“ schmücken wollten, sollten nämlich frühestens im September des auf die Lese folgenden Jahres verkauft werden dürfen, Rotweine erst zwei Jahre später. Was vordergründig als Marketingtrick daherkam, hatte einen ungleich tieferen Sinn: Wenigstens den Spitzenweinen sollte Zeit gegeben werden, um im Holzfass, im Edelstahltank oder auch schon in der Flasche ein wenig zu reifen, ehe sie einem fachkundigen Publikum vorgestellt würden. Entschleunigung war aber nur eine von mehreren Botschaften, die von der „Taufe“ der GG am 8. September 2002 in Berlin ausging. Denn die Etablierung der Kategorie „Grosses Gewächs“ ging auch mit der Rehabilitation vieler alter und manch neuer „Lagen von Weltruf“ einher, deren Renommée durch das Weingesetz von 1971 und die Traditionsvergessenheit auch namhafter Weingüter fast zum Verschwinden gebracht worden war. „Lagenklassifikation“ war das Zauberwort.

Doch wie Traditionen nicht um ihrer selbst Willen da sind, sondern sich unter immer neuen Bedingungen bewähren müssen, so hatte der VDP seit seiner Reanimation auch manches Neuland betreten. Mehr noch: Mit dem GG wurde eine neue Kategorie von Spitzenweinen etabliert, die in dreifacher Hinsicht über alles Dagewesene hinausging:

Erstens sollte nun auch ein Wein ohne oder mit nur wenig Restsüße den Anspruch untermauern, dass deutsche Weißweine zu den besten der Welt gehörten. Zweitens sollte der Status eines Spitzenweines nicht länger damit einhergehen, dass er aus der Rieslingtraube gekeltert worden sei. Für die Erzeugung deutscher Grand Crus kamen je nach Region auch andere weiße Rebsorten in Frage, in Franken etwa der Silvaner und in Baden der Grau- und sogar der erst seit wenigen Jahren geschätzte Weißburgunder. Die dritte Neuerung verschwand über diesen kühnen Ansagen fast im Kleingedruckten: Nicht nur Weißweine sollten den Ruf der deutschen Spitzenweine in alle Welt tragen, sondern auch trocken ausgebaute Rotweine.

Dass der VDP bei diesem Wagnis nicht unter massiver Selbstüberschätzung leiden, sondern dass es tatsächlich so und nicht anders kommen würde, war im September vor zwanzig Jahren allerdings nur eine Hoffnung, wenn auch keine unberechtigte. Denn viele Weingüter, die damals ein GG präsentierten, hatten sich erst in den 1980er Jahren, wenn nicht noch später auf jenen Weg gemacht, der sie erst in die deutsche und dann in die Weltspitze führen sollte. Dies galt in erster Linie für die Rotweinpioniere aus Baden, Württemberg, der Pfalz, Franken und der Ahr. Sie hatten erst vor zwei Jahrzehnten begonnen, mit dem kleinen Eichenfass à la française zu experimentieren – und sollten mit ihren Spätburgundern und Lembergern noch eine beträchtliche Wegstrecke voller Versuche und Irrtümer zurücklegen. Noch heute befinden sich die Details der Technik der Rotweinbereitung in stetem Fluss.

Aufbruchstimmung herrschte spätestens seit den frühen 1990er Jahren aber auch in vielen Weingütern, die über Jahrzehnte mit ihren Riesling- oder Silvanerweinen in hohem Ansehen gestanden hatten, aber deren Glanz durch immer neue Skandale im deutschen Weinbau und den Glauben an die immer neuen Segnungen der Technik getrübt worden war. Nach vielen Irrungen und Wirrungen hatten sich viele erst in den achtziger Jahren und ebenfalls auf mitunter recht verschlungenen Wegen aus den Zwängen des 1971er Weingesetzes befreit. Nicht mehr eine Zuckerpyramide sollte Maßstab für die Qualität des Weines, sondern – so die Strategie des Ende Mai 1990 gewählten neuen VDP-Präsidenten Michael Prinz zu Salm-Salm – eine an der Herkunft des Weines orientierte Qualitätspyramide.

"Von Masse zu Klasse"

Doch dies war nicht nur in der Theorie leichter gesagt als getan, sondern auch in der Praxis. Das Schicksal des Vorgängers des Prinzen an der Spitze des VDP, des Rheingauer Grafen Erwein Matuschka-Greiffenclau, war eine grausige Warnung. 1978 hatte er das Präsidentenamt von einem nach vielen Grabenkämpfen zermürbten Peter von Weymarn übernommen, in den achtziger Jahren stand der Besitzer von Schloss Vollrads wie kein zweiter für eine Rückbesinnung auf die Maßstäbe des Qualitätsweinbaus, etwa eine Beschränkung der Erntemengen, eine Abkehr von dem bunten Strauß der auf hohe Zuckerleistung getrimmten Neuzüchtungen und die Konzentration auf die klassischen Rebsorten. Matuschkas Ziel war es, dem deutschen Wein auf den Weinkarten der mittlerweile florierenden Spitzengastronomie den festen Platz zu erobern, den sie seit der Mitte des 19. Jahrhunderts innegehabt und erst in den 1960er Jahren verloren hatten.

Der Widerstand, der ihm wegen seines Einsatzes für Rieslinge ohne Restzucker aus den eigenen Reihen und hier vor allem seitens des Großen Rings der Weingutsbesitzer von Mosel, Saar und Ruwer entgegenschlug, ließ ihn im März 1989 als Präsident des VDP resignieren. Seine Verbitterung ist in einem Sitzungsprotokoll festgehalten: Neben Arbeitsüberlastung und einem immensen Zeitaufwand für den Verband („Es kann nicht angehen, dass Weinbaupolitik, Prüfung und Einhaltung der VDP-Satzung, Organisation von Veranstaltung, Erstellen von Unterlagen und Pressearbeit in einer Person erledigt werden") beklagte Matuschka die „destruktive Einstellung vieler Mitglieder im VDP, die zwar gerne ihre Weine mit dem VDP-Zeichen schmücken, sich aber (sic) dem VDP gegenüber nicht verpflichtet fühlen und sich auch nicht engagieren“. Und auch das war Matuschka nicht entgangen: „Dem Bundesverband fehlt die Möglichkeit, bei Nichteinhaltung der Satzung gegen Regionalvereine oder Einzelmitglieder Sanktionen durchzuführen. Damit würde der Verband unführbar.“

Zudem war seinen Weinen, die er als Speisenbegleiter so gerne auf Augenhöhe mit Chardonnays aus Burgund oder trockenen Elsässern gesehen hätte, die Anerkennung versagt geblieben. Die Ablehnung der ersten Generation trockener Rieslinge aus Deutschland ging sogar so weit, dass die englische Weinkritikerin Jancis Robinson noch 2001 davon schreiben konnte, sie hätten in den achtziger Jahren die britischen Importeure in ihrer Ansicht bestärkt, dass die Deutschen alles könnten außer trocken. Finanziell überschuldet und persönlich in einer tragischen Situation, nahm er sich im August 1997 in den Vollradser Weinbergen das Leben.

Wenn Prinz Salm in der Führung des Verbandes ungleich mehr Fortune hatte als sein Vorgänger, so lag dies vor allem an seinem diplomatisch-ausgleichenden Charakter. Zudem stand er als Repräsentant des kleinen Regionalverbands Nahe nicht im Verdacht, partikulare Interessen über die des Gesamtverbandes zu stellen, geschweige denn, dass er über Gebühr auf das Wohl seines Familienweinguts bedacht sein könne. Zu dem Glück des Tüchtigen hinzu kamen eine Fülle äußerer Umstände, die es ihm im Zusammenwirken mit dem VDP-Präsidium ermöglichten, die Saat wachsen zu lassen, die zu einem erheblichen Teil schon unter seinen Vorgängern Peter von Weymarn und Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau ausgebracht worden war.

Zu Hilfe kam Salm und seinen Mitstreitern im Präsidium des VDP, wie Michael Graf Adelmann (Württemberg) und Armin Diel (Nahe), dabei der Umstand, dass in vielen Regionen eine neue Generation den Ton angab: Junge, gut ausgebildete und durch erste internationale Erfahrungen in ihrem Ehrgeiz bestärkte Winzer, die nichts zu verlieren hatten, führten mit Weinen, die von der Weinkritik hochgelobt wurden, vielen Traditionsbetrieben die Grenzen ihres Wollens und Könnens vor. Diese Dynamik wurde in den neunziger Jahren so stark, dass Dutzende alteingesessene Weingüter den VDP verließen. Die immer höheren Anforderungen an die Weinerzeugung und Kontrolle durch den Verband in Gestalt regelmäßiger Betriebsprüfungen waren ihnen zu viel des Guten. Ersetzt wurden sie zumeist durch Weingüter, die sich den Qualitätsweinbau erst vor kurzem auf die Fahnen geschrieben hatten, wenn sie nicht überhaupt gerade erst gegründet worden waren.

Die Veränderungen wären indes deutlich langsamer vonstatten gegangen, hätte den aufstrebenden Betrieben nicht die beginnende Klimaveränderung in die Karten gespielt. Waren die siebziger und achtziger Jahre noch von vielen qualitativ schlechten Jahrgängen geprägt, so wurden die Ausschläge nach unten seit den frühen neunziger Jahren deutlich seltener. Mit vielen guten, mitunter sogar sehr guten Jahrgängen in Folge ließ sich nicht nur jenes Kapital erwirtschaften, das es für die Abkehr von Masse hin zu Klasse brauchte. Sie ließen auch das Vertrauen wachsen, das es braucht, um ausgetretene Pfade zu verlassen und Neues zu wagen. Die steigende Qualität der Weine stärkte auch das Selbstbewusstsein der neuen Generation und bereitete den Weg für Experimente.

Eine neue Zeit im deutschen Weinbau

In den neunziger Jahren blieb die Aufbruchstimmung im deutschen Weinbau nicht auf einen stetig wachsenden Kreis von Winzern beschränkt. Kaum zu überschätzen ist rückblickend die Entstehung einer neuen Öffentlichkeit. Wie im Zuge des „deutschen Küchenwunders“ einzelne Köche schon früh Furore gemacht hatten, so wandte sich die Aufmerksamkeit nun auch den Protagonisten des „deutschen Weinwunders“ zu. In der Tradition von Restaurantführern wie „Gault Millau“ oder „Michelin“, aber auch von Zeitschriften wie der „Revue des Vins de France“ beziehungsweise dem englischen „Decanter“ sowie der Weinkolumnen in der „Sunday Times“ oder der „Financial Times“ registrierte eine stetig steigende Zahl von Weinjournalisten und -kritikern jede neue Entwicklung der Weinszene. Das Bild, dass die führenden Weingüter im Spiegel von Zeitschriften wie „Gourmet“, „Der Feinschmecker“, „Alles über Wein“ oder „Vinum“ sowie in den jährlich aktualisierten Weinführern wie dem seit 1992 erscheinenden „Gault Millau Weinguide“, in Zeitungskolumnen oder immer voluminöseren Büchern von sich erkennen konnten, bestärkte sie in der Überzeugung, auf dem richtigen Weg zu sein.

Es hieße aber, die Bedeutung des VDP zu überschätzen, wollte man nur dessen Aktivitäten zum Maßstab dafür nehmen, dass im deutschen Weinbau eine neue Zeit angebrochen war. Denn so symbolträchtig etwa eine als Schulterschluss inszenierte Schifffahrt mit Mitgliedern der „Union de Grands Crus de Bordeaux“ von Straßburg nach Mainz im Jahr 1993 war und so wichtig die Bündelung der Dynamiken in den einzelnen Regionalvereinen durch das Präsidium des Bundesverbandes, so war der VDP immer wieder auch ein Getriebener.

Der Zusammenschluss mehrerer Betriebe in Württemberg unter dem Namen HADES Mitte der achtziger Jahre hatte innerhalb des VDP noch keine Unruhe hervorgerufen, galt Württemberg damals als absolut randständig und sein Wein nicht als Konkurrenz für die klassischen Qualitätsweinregionen an Rhein und Mosel. Auch das Deutsche Barrique-Forum war keine Bedrohung für den VDP. Zwar fanden sich in dieser Vereinigung Winzer aus allen Regionalverbänden, doch Experimente mit dem kleinen Holzfass bildeten eher eine Brücke in das als Vorbild geltende Weinanbaugebiet Burgund, als dass sie den Zusammenhalt innerhalb des VDP hätten unterminieren können. So war es nur folgerichtig, dass der VDP 1995 das Barrique-Forum zu einer gemeinsamen Weinpräsentation nach Hamburg einlud, um den Ausbau von Weinen im kleinen Holzfass endgültig salonfähig zu machen.

Kein langes Leben war indes einer Gruppe von Winzern beschert, die sich 1984 in der Zeitschrift „Stern“ als „Retter des deutschen Weins“ hatten feiern lassen: Der Freinsheimer Winzer Gerhard Kern, der Richter und Weinrechtler Hans-Jörg Koch, Günter Lenz aus Pünderich an der Mosel, Franz Dötsch, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Untermosel, – und Erwein Graf Matuschka-Greiffenclau. „Unser Ziel ist es, möglichst viele in der Weinwirtschaft davon zu überzeugen, dass die bisherige Massenproduktion ein Unglück ist, daß unser Heil nur im allerhöchsten Qualitätsstreben liegen kann,“ hieß es am 6. Juli 1984 in der „Weinwirtschaft“. Mittel zum Zweck sollte ein Verein sein, dessen Mitglieder sich verpflichteten, die Erträge mittelfristig auf 80 Hektoliter/ha zu begrenzen, die weingesetzlichen Anforderungen an Mindestmostgewichte für Qualitäts- und Prädikatsweine deutlich zu übertreffen, in den Rebflächen zu wenigstens 70 Prozent auf Qualitätssorten zu setzen, „die in der jeweiligen Region bereits vor 1880 gepflegt wurden“ und die zu wenigstens 50 Prozent trockene und halbtrockene Weine führten. Mitglied des Vereins namens „Der klassische deutsche Wein“ solltenn der Idee nach nicht nur Weingüter werden können, sondern auch Kellereien, Weinhandlungen und Winzergenossenschaften, ja sogar Fassweinvermarkter.

Es blieb indes bei dieser „rein ideellen Angelegenheit“, wie Matuschka damals formulierte, um den Verein vom VDP als Werbe- und Marketingorganisation abzugrenzen. Schon im Herbst 1984 wurde der Versuch aufgegeben, einen überregionalen Verein zu gründen, dessen Ziele ambitionierter waren als die, die damals im VDP konsensfähig waren. Wäre es anders gekommen, wäre Matuschka als Präsident des VDP noch mehr Anfeindungen ausgesetzt gewesen als ohnehin. Was auf ihn zugekommen wäre, fasste er im Sommer 1984 sibyllinisch in die Worte: „Ich werde da sicher auf manche Missverständnisse stoßen“.

Die aber blieben auch ohne den kurzlebigen Rettungsversuch des deutschen Weins nichts aus. Denn dem VDP gefährlicher werden konnte die „Vereinigung der CHARTA-Weingüter“, die im Oktober 1984 unter Führung des Rüdesheimer Weingutsbesitzers Bernhard Breuer gegründet worden war. Zwar geben mehrere ambitionierte VDP-Weingüter in der neuen Initiative den Ton an, darunter auch Matuschka-Greiffenclau mit seinem „Schloss Vollrads“. Aber mit mehr als 50 Mitgliedern hatte sie das Potential, den VDP-Regionalverband im Rheingau womöglich ersetzen und dadurch die Architektur des VDP zu sprengen oder aber den traditionsreichen Verein an den Rand drängen.

Allerdings lesen sich die Ziele, die sich die „Charta“ setzte, rückblickend wie eine Vorwegnahme wesentlicher Elemente der dreistufigen Qualitätspyramide, die der VDP auf seiner Mitgliederversammlung des Jahres 2001 beschloss und die zur Richtschnur für die Erzeugung jener Spitzenweine wurde, die Anfang September 2002 in Berlin einem staunenden Publikum präsentiert wurden: Profilierung der Rheingauer Spitzenlagen durch trockene Weine mit bis zu 13 Gramm Restzucker, die zu hundert Prozent aus Riesling-Trauben gekeltert worden waren, sodann höhere Ausgangsmostgewichte für die einzelnen Prädikatsstufen, interne Qualitätsprüfungen sowie Vermarktung frühestens am 1. Oktober des auf die Lese folgenden Jahres.

Zu dem überregional wiedererkennbaren Markenzeichen der Charta-Weingüter wurde im Laufe der Zeit nicht nur die neue Form der grün-blauen Schlegelflasche, die mit ihrem Hals an gotisches Maßwerk erinnerte. Mehrere Weingüter unter Führung des Rüdesheimer Weingutsbesitzers Bernhard Breuer füllten seit den frühen neunziger Jahren ihre besten geschmacklich trockenen Rieslinge unter der Bezeichnung „Erstes Gewächs“ ab. Diese Initiative blieb nicht auf den Rheingau beschränkt. Im Frühjahr 1997 hoben Breuer und einige seiner Charta-Mitstreiter ein „Comité Erstes Gewächs“ aus der Taufe. Als im folgenden September deren (bezeichnungsrechtlich nicht zulässigen) Ersten Gewächse des Jahrgangs 1996 auf Schloss Reinhartshausen und der vis-a-vis liegenden Rheininsel Mariannenaue gezeigt wurden, waren nicht nur die Weingüter Geheimrat J. Wegeler Erben (als einziges von der Mosel), Bürklin-Wolf, Mosbacher, Koehler-Ruprecht und Christmann aus der Pfalz sowie Gunderloch, Heyl zu Herrnsheim, St. Antony und Kühling-Gillot vom Roten Hang zu sehen. Die zehn Charta-Mitglieder des Comité Erstes Gewächs hatten auch den englischen Weinschriftsteller Hugh Johnson eingeladen. Er sollte dem Schritt aus dem eigenen Anbaugebiet hinaus höhere Weihen verleihen.

Die Weine, die Johnson in diesen Tagen verkostete, sollten ihn in seinem Kampf gegen die nivellierenden Bestrebungen des deutschen Weinrechts, den er mit seinem ersten „World Atlas of Wine“ aufgenommen hatte, nur noch mehr bestätigen. Denn schon der bloße Verdacht, dass die Weine der Comité-Mitglieder auf dem Etikett als „Erstes Gewächs" bezeichnet werden könnte, hatte das „System“ auf den Plan gerufen. Bernhard Breuer, dem Kopf hinter der Charta wie dem Comité, hatte die Weinkontrolle vorab zu verstehen gegeben, dass man im Fall des Falles alle Flaschen beschlagnahmen würde. So weit kam es nicht, wie sich Steffen Christmann, damals einer der Teilnehmer und seit 2007 Präsident des VDP, erinnert. Aber der Schrecken saß erst einmal tief. Noch waren die Zeiten nicht vorbei, in denen bezeichnungsrechtlich all das verboten war, was nicht ausdrücklich erlaubt war. Die Scherereien mit den Behörden endeten jedoch schon 1999, als das Land Hessen per Verordnung das Gütezeichen „Erstes Gewächs“ zuließ. Allerdings schloss sich kein weinbautreibendes Land diesem Schritt an. Aus der Idee, die Kategorie „Erstes Gewächs“ bundesweit für die jeweiligen Spitzenweine zu benutzen, wurde also nichts. Im Gegenteil. Allen Erzeugern außerhalb Hessens war nunmehr der Weg versperrt, den Begriff „Erstes Gewächs“ zu verwenden – die Mitglieder des „Comité Erstes Gewächs“ nicht ausgenommen.

Wie weit der Arm der Standesorganisationen des deutschen Weinbaus reichte, hatte aber auch Johnson ganz persönlich zu spüren bekommen – und das schon in den achtziger Jahren. Denn der Hallwag-Verlag, der die deutschen Ausgaben der Bücher Johnsons verlegte, wollte mit einem Mal von den von Johnson 1971 entwickelten Lagenkarten nichts mehr wissen. Und das kam so: In der englischen Erstausgabe des „World Atlas“ und in der ein Jahr später erschienen deutschen Übersetzung hatte Johnson die Weinwelt mit topographischen Karten überrascht, in denen die bedeutendsten Weinbergslagen wie in Burgund nun auch in den traditionell wichtigsten Weinbauregionen Deutschland farbig hervorgehoben waren.

Was Johnsons Überzeugung, wonach „wine geography in a bottle“ sei, für Deutschland austrug, hatte der Leser zunächst anhand der Kartierung der Rebflächen an der Saar, entlang der Ruwer sowie der Mittelmosel zwischen Klüsserath und Enkirch erkennen können Es folgten die Nahe, jedoch nur von Schlossböckelheim bis nach Bad Kreuznach, der Rheingau von Assmannshausen bis nach Walluf (ohne Hochheim!) und die Mittelhardt zwischen Ruppertsberg und Kallstadt. Lagenkarten widmete Johnson auch noch dem Roten Hang zwischen Oppenheim und Nackenheim sowie den Lagen rings um Würzburg. Alle anderen Regionen wurden entweder summarisch behandelt wie Baden und Württemberg oder gar nicht visualisiert. Das traf nicht nur auf die Südpfalz zu, sondern auch auf das gesamte Ahrtal. Tatsächlich waren die Weine, die dort erzeugt wurden, damals kaum der Rede wert.

Bis zum Erscheinen der dritten englischsprachigen Auflage des „World Atlas“ im Jahr 1985 änderte sich daran im Prinzip nichts. Allerdings wurden die topographischen Lagenkarten der deutschen Anbaugebiete insoweit überarbeitet, als neben den Einzellagen nun auch die jeweiligen Großlagen und selbst die Bereiche angeführt wurden. Neu aufgenommen worden waren zudem Übersichtskarten über die Großlagen Rheinhessens, Frankens, Badens und Württemberg. Die Ahr musste weiterhin ohne Lagenkarte auskommen. Dann aber passierte etwas Merkwürdiges.

In dem „Atlas of German Wines“, der erstmals 1986 auf englisch und auf deutsch erschien, waren die Johnson-Karten verschwunden. Stattdessen erblickte der Leser jenes sattsam bekannte Kartenwerk des „Stabilisierungsfonds Deutscher Wein“, das sich „Deutscher Weinatlas“ nannte (nicht zu verwechseln mit Johnsons „Atlas der deutschen Weine“). Der Unterschied zu den topographischen, auf das Landschaftsrelief und damit auf die einzelne Lage abgestellten Karten des „World Atlas of Wine“ war frappierend.

Im Geiste des Weingesetzes von 1971, das von Herkunft als einem wesentlichen Qualitätsfaktor nichts mehr wissen wollte, sondern ausschließlich auf amtlich geprüfte „Qualität im Glas“ setzte, erschienen die Einzellagen unter Verzicht auf jede topographische Charakterisierung als ein buntscheckiges Mosaik prinzipiell gleichwertiger Flächen (Abb. 1). Der Stabilisierungsfonds, dessen Budget sich aus den Zwangsbeiträgen der Weinwirtschaft speiste, hatte im Verein mit dem Hallwag-Verlag, dessen Tourenkarten den Weinfreunden den Weg in die Anbaugebiete weisen sollten, den visuellen Teil des deutschen und sogar des englischen „Atlas of German Weine“ übernommen. Johnson selbst war, so berichtete er es dem Verfasser im November 2022, in diese Entscheidungen nicht einbezogen worden.

Das Pendel schlug erst 1994 zurück. Johnson nahm die 24. deutsche Auflage seines Standardwerkes „Der neue Weinatlas“ (er entsprach der vierten, vollständig überarbeiteten Auflage des „World Atlas of Wine“) zum Anlass, um höchst anschaulich mit dem Geist und den Buchstaben des deutschen Weingesetzes zu brechen. Niemand könne im Ernst behaupten, „daß alle deutschen Weine eine gleich gute Lage und gleich guten Boden hätten“, war auf einmal zu lesen. „Die heutige Abneigung des Staats gegenüber einer Klassifizierung scheint aus einem falschen Demokratieverständnis herzurühren“, so Johnson in seinem Einleitungskapitel „Deutschland: Qualitätsfaktoren“. Klassifizieren, so die von ihm angegriffene Denkweise, sei angeblich elitär und undemokratisch. Diese Einstellung wollte Johnson für den Weinbau nicht gelten lassen. „Nun ist aber die Qualität ihrer Natur nach elitär, und die Weigerung, dies anzuerkennen, führt zu nichts als zu Fehlverständnis und Verwirrung.“

Johnson wollte Abhilfe schaffen, indem er Weinlagen je nach Güte in verschiedenen Farben darstellte: „Es geschieht in der Hoffnung, einen Fingerzeig auf eine Klassifizierung zu geben, die vielleicht zum Nutzen der Verbraucher deutscher Weine und des Weinbaus insgesamt doch noch zustandekommen mag, daß in diesem Atlas die jeweils besten Weinlagen deutlich hervorgehoben werden“.

Dieser Mühe unterzog sich Johnson indes nicht für alle Anbauregionen Deutschlands, sondern wiederum nur für die vormals sogenannten Qualitätsweinbaugebiete. An der Mittelmosel sowie den Nebenflüssen Saar und Ruwer wurden nunmehr Spitzenlagen Klasse I, Lagen Klasse I und sonstige Rebflächen farbig voneinander unterschieden (Abb. 2 und 3). Für Rheingau übernahm Johnson die 1994 als „Erstes Gewächs“ klassifizierten Lagen als Lagen Klasse I – Spitzenlagen Klasse 1 konnte er im Rheingau hingegen nicht entdecken, wie Horst Dohm in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ kritisch anmerkte. Auch für das Nahetal, die Mittelhaardt und den Roten Hang an der rheinhessischen Rheinfront arbeitete Johnson nur mit Lagen Klasse I und nicht mit Spitzenlagen. Alle anderen Regionen, eingeschlossen das Ahrtal und nunmehr auch Franken, spielten weiterhin nur eine Statistenrolle. Dasselbe galt für die nach der Wiedervereinigung neu hinzugekommenen Regionen Sachsen und Saale-Unstrut. Topographische Karten suchte man für alle diese Regionen vergebens.

Doch bei aller Vorläufigkeit, die Johnson auch selbst eingestand: Ein Durchbruch durch den irreführenden Verhau namens Bezeichnungsrecht war gemacht. „In den Karten dieser Ausgabe sind die Spitzenlagen erstmals deutlich gekennzeichnet“, schrieb Johnson 1994. „Da sich das deutsche Weingesetz in diesem Punkt ausschweigt, hat sich inzwischen eine inoffizielle Klassifizierung der deutschen Weinlagen durchgesetzt.“ Das war, gelinde gesagt, ein wenig übertrieben. Außer im Rheingau, wo 1994 mit Hilfe des Weinbauamtes Eltville jene Lagen klassifiziert worden waren, in denen einige Jahre später ein weinrechtlich erlaubtes „Erstes Gewächs“ erzeugt werden durfte, gab es nirgends auch nur eine in Ansätzen verbindliche Kodifizierung gewöhnlicher, guter und sehr guter Lagen. Im luftleeren Raum bewegte sich Johnson indes nicht: „Der Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP) hat gemeinsam mit örtlichen Organisationen und Experten wesentlich zu der Erstellung dieser ganz neuen Karten beigetragen, die in künftigen Ausgaben noch vertieft werden sollen“, versprach er. Das war leicht übertrieben, denn bis kurz vor der Drucklegung des Atlas wurde heftig improvisiert. Tatsächlich hatte der VDP, wie sich die heutige VDP-Co-Geschäftsführerin Hilke Nagel erinnert, nach der Mitgliederversammlung des Jahres 1994 Johnson eine provisorische Liste mit Spitzenlagen übermittelt. Diese fanden sich dann im „World Atlas“ als „First Class Site“ beziehungswiese im „Neuen Weinatlas“ als „Spitzenlage Klasse I“ wieder.

Was die Stunde geschlagen hatte, zeigte sich derweil in der neuen Ausgabe des „Atlas der deutschen Weine“, die im Jahr 1996 erschien. Wo bis anhin die Hallwag-Tourenkarten und die sogenannten Weinlagenkarten des „Deutschen Weininstituts“ samt der Auflistung von Einzel- und Großlagen breitesten Raum eingenommen hatten, fanden sich lange, üppig illustrierte Text-Bild-Strecken. Sie präsentierten nunmehr alle 13 Anbaugebiete in Deutschland in einer Detailgenauigkeit und einer Farbigkeit wie in noch keiner deutsch- oder englischsprachigen Publikation jemals zuvor. Zusammen mit seinem englischen Landsmann Stuart Pigott, der einen Großteil der neuen Texte geschrieben hatte, vermittelte Johnson dem Leser eine genaue Orientierung, indem er die wichtigsten Weine der jeweiligen Region sowie die besten Weinerzeuger vorstellte. In Grundzügen hatte er es so schon in der vorhergehenden, 1990 erschienenen Auflage des „Atlas der deutschen Weine“ gehalten und darin auch – über den „Neuen Weinatlas“ hinaus - auch randständige Regionen wie die Ahr, Nord- und Südbaden wie auch Württemberg berücksichtigt. Aber nunmehr wurden die Charakterisierungen der einzelnen Regionen unterfüttert durch die zu Lagenklassifikationszwecken modifizierten topographischen Karten, wie sie Johnson 1994 erstmals vorgestellt hatte.

Allerdings waren diese für den „Atlas der deutschen Weine“ nicht mehr überarbeitet worden. Spitzenlagen Klasse I gab es in den Augen von Johnson und Pigott daher nur an Mosel, Saar und Ruwer. Und für viele Regionen fehlten auch in dem „Atlas der deutschen Weine“ topographische Lagenkarten ganz, allen voran für das Ahrtal.

Neu waren hingegen 1996 eine Karte mit Lagen I. Klasse für das Tal des Mittelrheins von Rheindiebach bis zur Loreley (nicht aber für den Abschnitt von St. Goar bis Boppard) und für die Untere Nahe von Winzenheim bis Bingerbrück. Rheinhessen hingegen bestand weiterhin nur aus der Rheinfront zwischen Oppenheim und Nackenheim, das Hinterland war nach wie vor nicht zu sehen. Zwar war unter den „besten Erzeugern“ ein Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim aufgeführt. Gegenüber den Traditionsbetrieben aus Nierstein und Nackenheim fiel es aber ebensowenig ins Gewicht wie das Weingut Kühling-Gillot in Bodenheim bei Mainz („Dessertweine sind vorzüglich“) oder ein Weingut Wittmann in Westhofen. Dessen trockene Rieslinge, so hieß es 1996, seien „zwar gut, aber nicht aufregend“. Sie würden derart sauber ausgebaut, „daß sie nahezu nach nichts schmecken“. Davon kann schon länger keine Rede mehr sein.

In der Pfalz wiederum konnte man sich freuen, dass erstmals auch die Region südlich von Deidesheim kartiert worden war. Dies allerdings nur bis auf die Höhe von Landau und Birkweiler und damit ohne die an Frankreich angrenzende Region um Schweigen, wo sich viele Winzer längst dem Deutschen Barrique-Forum angeschlossen hatten. Überhaupt, die Südpfalz: Große Weine waren von dort nicht unbedingt zu erwarten. Die Lagen I. Klasse ließen sich im Unterschied zu denen an der Mittelhaardt an einer Hand abzählen, darunter allerdings die Lage Königsbacher Idig. Über das Weingut Christmann, das einen Großteil dieser Einzellage bewirtschafte, hieß es hellsichtig, die eindrucksvollen trockenen Weine der letzten Jahre ließen vermuten, „daß hier bald eines der besten Güter der Pfalz stehen wird“. Ausführlich gewürdigt wurde hingegen das in Siebeldingen ansässige Weingut Ökonomierat Rebholz. Über den jungen Hans-Jörg Rebholz war zu lesen, seine Spätburgunder-Rotweine zählten mittlerweile zu den Spitzengewächsen der Pfalz. Doch das benachbarte, ebenso ambitionierte Weingut Dr. Wehrheim wurde mit keiner Zeile gewürdigt – wie auch außer dem Burrweiler Schäwer und der Lage Kastanienbusch in Birkweiler keine Lage südlich von Neustadt an der Weinstraße als I. Klasse hervorgehoben wurde.

Erstmals mit Lagen I. Klasse aufwarten durfte 1996 auch das Anbaugebiet Franken – wenn auch nur innerhalb des Maindreickes von Escherndorf bis Würzburg einschließlich der Orte Iphofen und Rödelsee am Steigerwald. Bürgstadt wurde nur im Zusammenhang mit dem Weingut Rudolf Fürst als einem der besten Weinerzeuger („die wohl elegantesten und feinsten Weine Deutschlands“) erwähnt, Castell nur im Kontext der Rebsorte Rieslaner. Kartographisch ein Schattendasein führten weiterhin Württemberg, ganz so, als stünde es auf einer Stufe mit der Hessischen Bergstraße, Saale-Unstrut und Sachsen. Baden wiederum bestand aus der Ortenau mit einer guten Handvoll Lagen I. Klasse sowie den Bereichen Kaiserstuhl und Tuniberg. Dort konzentrierten sich die Lagen I. Klasse ausnahmslos um die Orte Ihringen und Vogtsburg am westlichen Kaiserstuhl.

Ungeachtet der mitunter recht willkürlich erscheinenden Gewichtungen war der „Atlas der deutschen Weine“ eine revolutionäre Tat. In einer Breite und Tiefe wie niemals zuvor wurde einer deutschsprachigen Leserschaft ein qualitätsorientiertes Bild „ihres“ Weinlandes präsentiert – ein scharfer Kontrast mit dem antielitären „Selbstbild“, das von den von Kellereien und Genossenschaften dominierten Standesorganisationen des deutschen Weinbaus, dem Deutschen Weinbauverband wie den regionalen Weinbauverbänden und auch dem Deutschen Weinbauinstitut, mit Zähnen und Klauen verteidigt wurde.

Kein Wunder, dass auch die Spannungen zwischen dem VDP und dem Deutschen Weinbauverband immer stärker wurden – bis dahin, dass der VDP im Jahr 1995 aus dem DWV austrat. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte die Weigerung der Spitze des Weinbauverbandes, sich für eine Abschaffung der gezielten Verbrauchertäuschung namens Großlage einzusetzen.

Der Bruch auf höchster Ebene bedeutete nicht, dass sich VDP-Weingüter aus der Mitarbeit in den regionalen Weinbauverbänden zurückzogen. Aber fortan waren auch die einzelnen Regionalvereine freier in ihrem Bestreben, ihre Spitzenlagen zu profilieren und mit der Konzentration auf wenige Rebsorten wieder auf ein gebietstypisches Profil hinzuarbeiten. Diese Prozesse in all ihren Verästelungen nachzuzeichnen, würde den Rahmen selbst dieser Rekonstruktion sprengen. Festgehalten seien in diesem Zusammenhang allerdings einige Meilensteine auf diesem Weg. 1996 flossen das, was Johnson und Pigott in ihrem neuen „Atlas der deutschen Weine“ visualisierten, und das, was sich in unterschiedlichen Gruppierungen unter Beteiligung vieler führender VDP-Güter in den frühen 1990er Jahren herauszukristallisieren begann, in einem Beschluss der Mitgliederversammlung des VDP zusammen. Unter dem Titel „Speyerer Manifest“ hieß es unter anderem: „Damit der deutsche Wein rund um den Globus sein Ansehen behält (!, D.D.), müssen diese Spitzenlagen in den Rang eines nationalen Kulturgutes erhoben werden: diese Weinberge brauchen eine eindeutige Kennzeichnung.“ Weiter hieß es: „Der Wert der Herkunft hat die gleiche Bedeutung wie das Können des Winzers. Nur die Originalität einer Spitzenlage und hochwertige, handwerkliche Produktion bringen unverwechselbare Weine hervor – Weine, welche die Geschichte und Kultur der jeweiligen Region verkörpern, wenn sie aus klassischen Rebsorten mit begrenztem Ertrag gewonnen werden.“

Diese Ideen zu operationalisieren war jedoch leichter gesagt als getan. Den ersten Schritt vollzog im Jahr darauf der kleine, von ambitionierten Weingütern wie Schlossgut Diel, Dönnhoff und Emrich-Schönleber geprägte Regionalverband Nahe. Mit Rückendeckung des ebenfalls an der Nahe ansässigen VDP-Präsidenten Prinz Michael zu Salm-Salm wurde 1997 ein sogenanntes „Riesling-Statut“ beschlossen. Dessen Kernaussage bestand darin, dass sie ab sofort nur Riesling-Weine aus ihren „besten Weinbergen“ mit Lagenbezeichnung auf den Markt bringen wollten. Alle anderen Weine sollten künftig den Status von Orts- oder Gutsweinen haben.

Dazu wurden im selben Schritt alle in Frage kommenden Weinberge samt des jeweiligen Anteils der mit Riesling bestockten Fläche aufgelistet: In der Summe waren es von Monzingen bis nach Münster-Sarmsheim 24 Einzellagen, von denen die größte annähernd 70 Hektar und die kleinste gerade einmal ein Hektar groß war. Alle Weine, die unter diesen Namen angeboten würden, sollten zu 100 Prozent auf Trauben vinifiziert worden sein, die aus der entsprechenden Lage stammten und selektiv von Hand gelesen worden waren. Zudem müssten die Weine zu hundert Prozent aus Riesling bestehen, einen „Basisertrag“ von 48 Hektoliter je Hektar sowie höhere Mostgewichte als für die jeweilige Prädikatsstufe erforderlich aufweisen, frühestens ab April des Folgejahres verkauft werden und dies auch nur, wenn sie zuvor in einer Blindverkostung als Lagenweine anerkannt worden waren.

Klassifiziert wurden die Lagen aber nicht in ihren historischen Grenzen, sondern in der zum Teil immens aufgeweiteten Form, die die im Zuge der Neuumschreibung der Einzellagen nach der Verabschiedung des Weingesetzes von 1971 erhalten hatten. Um deren immense Zahl von mehr als 30.000 auf eine idealerweise auch für weinkundige Verbraucher nachvollziehbare Größe zu reduzieren, hatte man deren Mindestgröße auf fünf Hektar festgelegt und zahlreiche kleine Lagenbezeichnungen dadurch zum Verschwinden gebracht, dass man sie kurzerhand zu großen Einzellagen zusammenfasste. Als deren Namen wurde in der Regel derjenige ausgewählt, der am Markt den besten Klang hatte. Nur so konnte etwa an der Nahe das historische „Monzinger Frühlingsplätzchen“ auf eine Größe von 75 Hektar anwachsen – was die VDP-Betriebe zunächst nicht vor große Probleme stellte. Als aber im Lauf der Zeit die Bestrebungen die Oberhand gewannen, die Verwendung von Lagennamen noch stärker einzuschränken, stellte sich das Problem des „Lagenverbrauchs“: Sobald ein Lagennamen zur Bezeichnung eines „Grossen Gewächses“ benutzt wurde, durfte er für andere Weine nicht mehr verwendet werden. Als GG ließ sich – so hieß es schon 2001 – wohl nur ein kleiner Teil der Menge vermarkten, die in Lagen von einigen Dutzend Hektar Größe erzeugt werden konnte. Die Rede war von etwa fünf Prozent der Jahresproduktion eines Weingutes. Was also mit den übrigen 95 Prozent anstellen?

Diese Frage stellte sich 1997 indes noch lange nicht – und wenn, dann wäre sie im Vorgriff auf eine ungewisse Zukunft wohl als Luxusproblem abgetan worden. Denn einstweilen standen zwei andere Themen im Raum: Erstens stellte sich die Frage, nach welchen Kriterien die Spitzenlagen der VDP-Betriebe von den weiteren guten oder weniger guten abgegrenzt werden, und zweitens wie die Spitzenweine heißen könnten, mit denen der VDP die deutsche Weinwelt in einem neuen Licht erscheinen lassen wollte.

Die zweite Frage ließ sich leichter beantworten als die erste. Da der Begriff „Erstes Gewächs“ für das Land Hessen gesetzlich geschützt war, kam eine Anwendung im Kontext des VDP nicht in Frage. In Analogie zu dem aus Burgund geläufigen Begriffspaar Grand Cru – Prémier Cru entschied sich der VDP auf der Mitgliederversammlung des Jahres 2001 in Castell dazu, die weingesetzlich trockenen „Grand Crus Weine“ Deutschlands als „Grosses Gewächs“ zu bezeichnen. Erzeugt werden sollten diese Weine aber nicht in „Großen Lagen“ oder „Spitzenlagen“ oder „Lagen I. Klasse“. In dem Beschluss findet sich vielmehr der Begriff „Erste Lage“.

Logisch zwingend war diese Bezeichnung nicht, zumal „Erste Lage“ gleichrangig wie „Grosses Gewächs“ verwendet werden sollte. Aber der VDP wollte damals noch wegen der weingesetzlich definierten „Großlage“ jede Verwirrung vermeiden, die durch die Verwendung der „Großen Lage“ entstanden wäre. Unvermeidlich war diese Unschärfe aber auch insofern, als das Gesamtkonzept andernfalls von dem Regionalverband Mosel-Saar-Ruwer torpediert worden wäre. Dort lehnten namhafte Weingüter in Übereinstimmung mit der Tradition ihrer Region die Idee rundheraus ab, Spitzenlagen über gesetzlich trockene Weine beziehungsweise solche mit einem Restzuckergehalt von bis zu 13 Gramm (wie beim Ersten Gewächs des Rheingaus) zu profilieren. Folgerichtig, wenn auch auf Kosten einer klaren Begrifflichkeit, sollte „Erste Lage“ sicherstellen, dass der VDP neben trockenen Spitzenweinen, wie sie gerade in der Pfalz favorisiert wurden, auch frucht- und edelsüße Weine aus den Spitzenlagen der Region unter die deutschen Grands Crus zählen würde. Immerzu freundlich ging es in diesen Auseinandersetzungen nicht immer zu. Armin Diel, seinerseits Regionalvorsitzender Nahe, Präsidiumsmitglied des VDP und einer der Herausgeber des „Gault Millau WeinGuide“, erinnert sich noch heute an eine typisch Moselaner Polemik: „Großes Gewächs“.

Auf dem Papier einig war man sich hingegen über die Kriterien, die bei der Erzeugung von GG- oder Erste-Lage-Weinen anzuwenden seien, wie auch, dass der VDP „die besten Teile der Bordeaux- und der Burgund-Klassifikationen“ kombiniere: Bordeaux mit seiner bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurückreichenden Klassifikation der Châteaus bot die Vorlage für die Aufstellung und Überprüfung von Ansprüchen an die Weingüter. Von Burgund ließ man sich bei der Klassifikation der einzelnen Lagen, der Limitierung der Erntemenge auf fünfzig Hektoliter je Hektar nicht und der Begrenzung der Rebsorten leiten, die für die Erzeugung der Spitzenweine dienen könnten und im Idealfall pro Weinberg festgelegt werden. Gelesen werden dürften die Trauben erst bei Vollreife, dem Mindestmostgewicht einer Spätlese und ausschließlich von Hand. Über die Weine hieß es, sie sollten vor der Vermarktung eine organoleptische Prüfung innerhalb des VDP bestanden haben und später vermarktet werden als die übrigen Erzeugnisse des Betriebes. Ausgespart wurde die heikle Frage, ob es in Übereinstimmung mit der Praxis der Rotweinbereitung in Bordeaux und Burgund erlaubt sein sollte, den Alkoholgehalt der Moste durch Hinzufügung von Zucker vor der Gärung geringfügig zu erhöhen. Für die GG schien dies a priori nicht ausgeschlossen, da sie keine Prädikate wie Spät- oder Auslese tragen sollten. Perspektivisch stand allerdings schon damals die Frage im Raum, wie ein Verband, der „Prädikatsweingüter“ im Namen trug, mit Spitzenweinen renommieren könne, die als „angereicherte“ nach deutschem Recht jedes Prädikat verwirkt hatten.

Was sollte aber nun mit den vielen Weinen passieren, die nicht als Erstes beziehungsweise Großes Gewächs oder unter der Bezeichnung Erste Lage vermarktet werden sollten? Wie die höchste Stufe einer neuen, nicht länger auf dem Mostzuckergewicht aufgebauten Qualitätspyramide aussehen würde, war um Juli 2001 zumindest im Grundriss klar. Aber wie viele Stufen sollte es darunter geben – und wie sollten die Weine jeweils qualitativ voneinander unterschieden werden?

Konsensfähig war damals eine dreistufige Pyramide. Die Basis sollten Weine bilden, die als „Guts“- oder „Ortsweine“ bezeichnet wurden. Welchen Kriterien diese erfüllen sollten, wurde einstweilen nicht erläutert. Näheres erfuhr die Öffentlichkeit im Zuge der Präsentation der ersten Grossen Gewächse, die im September 2002 in Berlin stattfand. Dem Katalog, der damals gewissermaßen die Eintrittskarte in die neue Weinwelt des VDP darstellte, war zu entnehmen, dass der Hektarhöchstertrag der Orts- und Gutsweine bei 75 Hektoliter je Hektar liegen solle, dass ab der Stufe Auslese (nicht mehr trocken, sondern nur noch frucht- oder edelsüß) eine Lese von Hand verpflichtet sei, dass die Weinberge nach den Regeln des „integrierten Weinbaus“ bewirtschaftet werden sollten und die Weine einer Kontrolle im Rahmen der allgemeinen Betriebsprüfung unterlägen. Damit waren den einzelnen Regionen und Betrieben weite Spielräume eröffnet, zumal die Regionalverbände strengere Regeln beschließen konnten.

Eher vage blieben auch die Bestimmungen für die Weine der mittleren der drei Stufen. Sie sollten als „klassifizierte Lagenweine“ durchgehen, was so viel bedeutete wie dass die VDP-Weingüter nach einer Übergangsfrist (!) nur noch Lagen auf dem Etikett verwenden würden, deren Weine eine „besondere Lagen- beziehungsweise Herkunftscharakteristik“ aufwiesen. Um welche Lagen oder Teile von Lagen es sich im Detail handele, sollten die einzelnen Regionalvereine „in Eigenverantwortung“ privatrechtlich klassifizieren. An zusätzlichen Qualitätskriterien wurden darüber hinaus festgelegt eine Mengenbeschränkung auf 65 Hektoliter je Hektar, eine bestimmte (von Region zu Region variierende) Anzahl von klassischen Rebsorten, volle Traubenreife, selektive Lese und eine zusätzliche Weinprüfung. Lagennamen, die weder die Ansprüche an eine „klassifizierte“ beziehungsweise eine „Erste Lage“ erfüllten, sollten fortan nicht mehr auf dem Etikett erscheinen.

Auch in diesem Fall war ein Anfang gemacht – unter kluger Führung des VDP-Präsidenten Prinz Salm, aber unter Inkaufnahme vieler interpretationsbedürftiger Formulierungen und Formelkompromisse, deren Belastbarkeit in den folgenden Jahren immer neuen Proben ausgesetzt werden sollte. Nicht nur die Interessen der einzelnen Regionalvereine waren mitunter nur schwer zur Deckung zu bringen, etwa was die Zulassung einzelner Rebsorten anging. Franken etwa, aber auch Baden und Württemberg standen in dieser Hinsicht mit ihrem bunten Strauß von regionaltypischen Rebsorten vor ganz anderen Aufgaben als etwa der von Riesling geprägte Rheingau, gar nicht zu reden von Mosel, Saar und Ruwer. Auch innerhalb der Regionalvereine ging es mitunter heftig zur Sache. Vor der Präsentation der Grossen Gewächse im September 2002 gab es an der Nahe Spannungen – trotz der Vorreiterrolle hinsichtlich des Riesling-Statuts. Denn einige Weingüter setzen damals noch auf die am Markt gut eingeführte Spätlese trocken anstatt auf das neue, qualitativ identische Große Gewächs. So fehlten in Berlin nicht nur die Weine von Armin Diel (Burg Layen), sondern auch von Helmut Dönnhoff (Oberhausen/Nahe) und des Weinguts Emrich-Schönleber (Monzingen).

Nochmals anders stellte sich die Lage an der Mosel dar. Zwar gab es auch dort einige Weingüter, die neben den fruchtsüßen Kabinett- und Spätleseweinen auch „trockene“ Spätlesen ausbauten. Doch den Ton gaben die vielen Traditionsbetriebe an, die in der Herausstellung von „trockenen“ Grands Crus einen Verrat an den weltweit einzigartigen Tugenden des deutschen Spitzenweins sahen. Die Folge war nicht nur jener kuriose Kompromiss aus dem Jahr 2001, der fortan unter „Großes Gewächs“/ „Erste Lage“ firmierte. Die VDP-Weingüter der Mosel waren 2002 in Berlin nicht vertreten und vermochten es zudem, für ihren Protest gegen den Kurs des VDP die namhaftesten Stimmen im englischsprachigen Raum zu mobilisieren. So sehr etwa Hugh Johnson seit Jahren eine Lagenklassifikation verfocht, so wenig wollte er a priori in das Lob der neuen Grossen Gewächse einstimmen. Für ihn waren, wie er in dem Vorwort zu dem GG-Katalog aus dem Jahr 2002 freimütig bekannte, die größten deutschen Weine die klassischen Spätlese-, Auslese und Kabinettweine mit ihrer„uplifting, translucent purity“. Sie seien Weine, so Johnson, durch die man wie durch eine Linse die Lage erkennen könne, auf der sie gewachsen seien. Über das Für und Wider trockener Weine verlor Johnson kein Wort.

Andere Weinkritiker wurden deutlicher. Jancis Robinson, die im Jahr 2001 gemeinsam mit Johnson die fünfte Auflage des „World Atlas of Wine“ herausgegeben hatte, sparte in ihrem reichweitenstarken Internetportal namens „Purple Pages“ nicht mit Kritik an den „dry dictators“, die sie hinter der Klassifikationspyramide vermutete. „Of course Germany produces some great dry wines, but these are the country's least distinctive offerings“, meinte Jancis Robinson unter dem Datum des 8. Juli 2002, warf dem VDP indirekt aber vor, sich auf einen unverzeihlichen Irrweg zu begeben: „So basically, the VDP will be putting all of its not inconsiderable muscle only behind dry wines, the sort of wines which most of that noble band of importers who wave a flag for German in the UK and US utterly abhor.“ David Schildknecht, der damals für Robert Parkers „Wine Advocate“ schrieb, stand Robinson in nichts nach. In dem Verweis auf das Scheitern deutscher Winzer, die in den achtziger Jahren mit trockenen, aber im Grunde fehlerhaften, da immens säurebetonten Rieslingen auf den englischen Markt gedrängt waren, hatten die beiden ein ernstzunehmendes Argument. Aber es traf nicht mehr die Lage um die Jahrhundertwende. Denn die weißen GG des Jahrgangs 2000 waren mit den trockenen Weinen der achtziger Jahre nicht zu vergleichen. Mehrheitlich präsentierten sie sich als charaktervolle, sorten- und regionaltypische Weine mit reifer Säure. Und trockene Spätburgunder hatte es in den achtziger Jahren so gut wie gar nicht gegeben.

Michael Broadbent MW, der während des „Präsidenten-Dinners“ aus Anlass der Taufe der Grossen Gewächse im „Brandenburger Hof“ in Berlin am Abend des 7. September 2002 eine kurze Ansprache hielt, schlug denn auch ganz andere Töne an. Mehr als 15 Jahre habe es gedauert, so der Direktor der Weinabteilung von Christie's in London, bis das Konzept des Ersten Gewächses und des Grossen Gewächses im Statut zur Weinklassifikation Wirklichkeit geworden ist. In diesem Zusammenhang sollten wir Prinz Salm und allen seinen Vorgängern für ihre unglaublichen Bemühungen und ihr Engagement danken, mit dem sie die Interessen zahlreicher Mitglieder des VDP in sehr unterschiedlichen Weinanbaugebieten ausgewogen zusammengeführt haben.“ Broadbent beließ es aber nicht bei Höflichkeiten. Er erinnerte die Anwesenden auch daran, dass trockene Spitzenweine schon im 19. Jahrhundert nicht ungewöhnlich gewesen sein. So habe er einst eine Flasche 1870er Schloss Johannisberg „First Growth“ erworben und diese bei einem Mittagessen bei Christie's zu Ehren seines alten Freundes Hermann Segnitz aus Bremen geöffnet. „Der Wein war trocken. Und selbst nach mehr als einem Jahrhundert konnte man ihn immer noch sehr genießen.“

Nicht mit Lob sparte auch die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast. Die Grünen-Politikern hatte es sich nicht nehmen lassen, die GG-Präsentation zu eröffnen und hob bei dieser Gelegenheit hervor, wie sehr sich der VDP dem Konzept „Klasse statt Masse“ verschrieben habe. Auch aus Frankreich kam Lob. Michel Bettane, der renommierteste Weinkritiker des Landes, meinte sogar, dass das Klassifikationsreglement des VDP in mancherlei Hinsicht dem französischen Modell überlegen sei. Wie Broadbent, so war auch er sich sicher, dass die Etablierung der Grossen Gewächse „ein großer Schritt zur Verbesserung des internationalen Ansehens“ des deutschen Wein sei.

Den Kritikern dieses Schrittes war einstweilen der Wind aus den Segeln genommen. Aber bei diesem Anfang konnte es nicht bleiben. Denn während die 1974 als „Rheinhessische Weinbörse“ gegründete und seit 1976 alljährlich stattfindende „Mainzer Weinbörse“ über die Jahre zu einer Bühne geworden war, auf der sich nahezu alle Mitglieder des VDP mit ihren jeweils neuen Weinen einer Fachöffentlichkeit präsentierten, waren 2002 in Berlin nur etwa ein Drittel der Mitgliedsbetriebe zugegen. Im folgenden Jahr waren es aber schon deutlich mehr. Mit drei Weingütern von der Ahr und einem Spätburgunder von Paul Fürst aus Franken wurde auch der Anspruch des VDP untermauert, deutsche Spätburgunder langfristig auf Augenhöhe mit Pinots aus Burgund zu führen. Der Regionalverband Mosel-Saar-Ruwer hatte unterdessen seine Fundamentalopposition aufgegeben und war im September 2003 in Berlin und in Kloster Eberbach mit vier Weingütern vertreten. Ohne dass sie sich Verfechter des „Grossen Gewächses“ oder der „Ersten Lage“ zu erkennen gaben, zeigten Heymann-Löwenstein (Winningen), Geheimrat J. Wegeler (Bernkastel), Reinhold Haart (Piesport) und von Othegraven (Kanzem) Rieslinge, die die ganze Klasse des Anbaugebietes demonstrierten.

Doch je mehr das Konzept Grosses Gewächs/Erste Lage innerhalb des VDP an Attraktivität gewann, desto schneller zeigten sich die Schattenseiten der Kompromisse, die um des Ausgleichs widerstreitender Interessen willen eingegangen worden waren. Am sichtbarsten wurde dies bei der Klassifikation der Einzellagen, deren Namen nach einer Übergangszeit als Ausweis der höchsten Weinqualität auf dem Etikett zu sehen sein sollten. Dieser Prozess sollte, so hatte es die Mitgliederversammlung des Jahres 2001 beschlossen, „in Eigenverantwortung der Regionalvereine“ geschehen. Von der Ahr bis nach Südbaden und von der Saar bis nach Sachsen war aber mitnichten klar, nach welchen Kriterien die einen Lagen privilegiert werden sollten und die anderen nicht. Dies öffnete nicht nur der Willkür Tür und Tor. Vor allem war die Versuchung groß, die verschiedenen Spitzenlagen auch nach Vermarktungsaspekten zu klassifizieren. Die historischen Lagenklassifikationskarten, die im Laufe der Jahre wiederentdeckt wurden, standen diesem Trend nur bedingt entgegen, kodifizierten sie doch eine Wertschätzung, die auch schon im 19. Jahrhundert nicht nur von der Qualität der Weine, sondern auch von dem Prestige der Produzenten abhängig war. Und sollten in einer Lage, deren Potential im 19. Jahrhundert nicht erkannt oder nicht realisiert worden war, zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht Weine erzeugt werden können, die es mit den „klassischen“ Spitzenweinen würden aufnehmen können?

Das Fehlen eines strengen, überregional anerkannten Kriterienkatalogs für die Einstufung einzelner Lagen oder auch von einzelnen Parzellen innerhalb großer, nicht zur Gänze klassifizierbaren Einzellagen führte indes zu kuriosen Phänomenen wie dem, dass „klassische“ Grand-Cru-Lagen mit einem Mal hinter eher unbekannten Einzellagen rangierten, deren Weine aus kaum zu überprüfenden Gründen als besser galten. Denn selbst im Fall von Fehlentwicklungen hatten die Regionalverbände und erst recht der Bundesverband keine Handhabe, die einmal beschlossenen Lagenklassifikation zu modifizieren.

Eine ebenfalls nicht sachlogische, sondern marketinggetriebene Dynamik zeigte sich schon bald in der Anzahl der Grossen Gewächse, die in den nach welchen Aspekten auch immer klassifizierten Lagen erzeugt wurden. Da jeder Mitgliedsbetrieb nicht nur mit einem, sondern mit mindestens zwei, wenn mit nicht noch mehr GG auf den immer wichtiger werdenden Präsentationen erscheinen wollte, stieg die Zahl der Grossen Gewächse innerhalb von zehn Jahren so gewaltig, dass sich bald die Frage stellte, wie diese Entwicklung noch mit dem Anspruch verbunden sein könnte, sich bei der Klassifikation die französische Region Burgund zum Vorbild genommen zu haben. Bei der „Taufe“ der GG im September 2002 waren 109 trockene GG aus 80 klassifizierten Lagen zu verkosten. 2007 waren 110 Weingüter mit 276 Erste-Lage-Weinen auf dem Markt, insgesamt waren bereits 347 Lagen für die Erzeugung der Spitzenweine des VDP klassifiziert. Im Jahr 2011 präsentierten dann 149 Weingüter rund 400 Große Gewächse – Tendenz weiter steigend.

Die Erweiterung der dreistufigen Qualitätspyramide um eine vierte Stufe oberhalb der Guts- und Ortsweine im Jahr 2011 hatte diesen Trend nicht nur nicht gestoppt, sondern nur noch beschleunigt. Um den Widerspruch zwischen Grossem Gewächs und Erster Lage aufzulösen, sollten infolge der Beschlüsse der Mitgliederversammlung des Jahres 2006 in Marienthal/Ahr alle bislang klassifizierten Lagen nach regionaler Überprüfung und Bestätigung als „Grosse Lage“ eingestuft werden – und das „Grosse Gewächs“ zu dem trockenen Spitzenwein aus einer Grossen Lage.

Gleichzeitig wurde den Regionen die Möglichkeit zugestanden, eine zweite Lagenstufe namens „Erste Lage“ einzuführen, wobei abermals ungeklärt blieb, worin sich welche Lagen qualitativ von den anderen insofern unterscheiden sollten, dass die einen als Grosse Lage, die anderen als Erste Lage und alle übrigen gar nicht mehr als Einzellage erscheinen sollten. Gleichwohl behauptete der VDP, sich auf diesem Weg nunmehr noch stärker als bisher an der burgundischen Grand-Cru-Systematik zu orientieren, würde ja auch dort zwischen Grand-Cru- und Prémier-Cru-Lagen unterschieden. Formal war und ist diese Behauptung nicht zu widerlegen. Allerdings kennt man an der Côte d´Or bis heute nicht einmal 40 Grand-Cru-Lagen, während es in Deutschland mittlerweile fast 500 geben soll.

Nicht zulässig ist es in Burgund überdies, den Namen von Grand Crus zu verwenden, um unter demselben Namen Weine zu vermarkten, die in anderen Lagen gewachsen sind. Dies soll auch im VDP nicht sein. Allerdings gab (und gibt?) es immer wieder Fälle, in denen der Name einer Grossen Lage auch als Erste Lage durchgeht. Tatsächlich ist weingesetzlich und im VDP für eine Übergangszeit noch erlaubt, in einer sehr guten Weinbergslage Weine nach den Kriterien eines Grossen wie auch eines Ersten Gewächses zu erzeugen. Aber der Theorie der Profilierung der Herkünfte durch die Beschränkung der Verwendung von Lagennamen folgt diese Praxis nicht.

Eher zur Verwirrung denn zu Profilierung von Lagennamen trägt denn auch die Entwicklung bei, klassische Grand-Cru-Lagen als Erste Lagen auszuflaggen und nur einzelne Parzellen in den Status von Grossen Lagen zu erheben. Im Einzelfall kann dies berechtigt sein, etwa dort, wo im Zuge des Weingesetzes von 1971 eine historisch bedeutsame Lage bis zur Unkenntlichkeit ausgedehnt wurde. Naheliegend ist diese Lösung sogar dann, wenn die Unterscheidung einzelner, besonders markanter Flutstücke schon immer gang und gäbe war, etwa in der Monopollage Steinberg der Hessischen Staatsweingüter der „Goldene Becher“ oder im Würzburger Stein die im Besitz des Bürgerspitals befindliche „Harfe“.

In anderen Fällen behelfen sich Weingüter mit dem Namen einzelner, oft nur ihnen selbst oder dem Katasteramt bekannten Flurstücke. So sind einerseits viele Weine, die alljährlich bei der Weinversteigerung des VDP an der Nahe unter den Hammer kommen, klar als GG zu erkennen. Aber nicht wenige Spitzenweine kommen gerade nicht als Grosse Gewächse daher, sondern unter Namen, die nur Fachleuten, Sammlern oder Investoren bekannt sind.

Wenn dann noch der eigentlich namensgebende und die Wiedererkennbarkeit gewährleistende Name der Hauptlage fortfällt, ist es zumindest mit der Analogie zu der burgundischen Klassifikation nicht mehr weit her. Dort würde es auch niemandem einfallen, bei den Premier-Cru-Lagen auf die Angabe des jeweiligen Ortes zu verzichten. In der Nomenklatur des VDP gab es hingegen eine Zeitlang etwa mehrere „Schlossberg“-GG. Aus welchem Anbaugebiet beziehungsweise welchem Ort sie stammten, musste ein Nichtfachmann erst ergründen. Mittlerweile ist die Angabe des Ortsnamens auch auf dem Frontetikett wieder durch den Gesetzgeber zur Pflicht gemacht worden.

Und auch das gehört in die Geschichte der GG, wie sie sich seit nunmehr zwanzig Jahren unter vielerlei Augen abgespielt hat: Bei Cuvées oder bei Weinen aus Rebsorten, die nicht für die Erzeugung Grosser Gewächse zugelassen sind, ist vollkommen klar, dass sie nicht als GG erscheinen können, auch wenn sie qualitativ mit den besten trockenen Weinen desselben Weinguts oder auch der Mitbewerber mithalten können. Anders sieht es aus in Weingütern, die ihre besten trockenen Weine nicht als GG bezeichnen, obwohl sie es könnten. Der Plausibilität der Qualitätspyramide und der zugrundeliegenden Annahme, dass die Qualität eines Weines durch die „Lage von Weltruf“ bezeugt werden soll, leisten sie damit einen Bärendienst.

Der VDP wäre indes nicht der VDP, gäbe es über die Schwächen des GG-Konzeptes nicht intensive Diskussionen. Wollte man die Geschichte des Verbandes in die Zukunft extrapolieren, dann wäre damit zu rechnen, dass die Lagenklassifikation in absehbarer Zeit einer Überprüfung unterzogen wird. Auch sollte es denkbar sein, die Kriterien zur Erzeugung Grosser Gewächse zu überprüfen und gegebenenfalls zu verschärfen. So hat der Verband Österreichischer Traditionsweingüter (ÖTW), der mittlerweile an einer Lagenklassifikation arbeitet, bereits festgelegt, dass die Reben, die zur Erzeugung von Spitzenweinen herangezogen werden sollen, ein Mindestalter von zehn Jahren haben müssen. Tatsächlich ist es kaum vorstellbar, dass Jungweine von derselben Güte sein sollen wie Weine, die aus älteren Rebanlagen stammen.

Der Verband war immer eine „lernende Organisation“, wenngleich viele Lernprozesse angesichts der Heterogenität der einzelnen Regionen und der oft widerstreitenden Interessen einzelner Betriebe zwangsläufig äußerst zäh verliefen. Welches Verfahren dabei zum Zuge käme oder kommen müsste, ist nicht abzusehen. Eine Möglichkeit wäre, die Bewertungen von Lagenweinen beziehungsweise Weingütern über einen Zeitraum von zehn und mehr Jahren durch die professionelle Weinkritik heranzuziehen, wie es die ÖTW praktiziert. Zudem können auch Verkaufspreise als Indikator für die Wertschätzung von Grossen Gewächsen herangezogen werden, wohl wissend, dass Bewertungen und Preisstellung von einer Fülle von Faktoren beeinflusst werden, die nicht unbedingt mit der Qualität des Weines korrelieren. So können qualitativ herausragende Weine eines eher kleinen Produzenten erheblich weniger Aufmerksamkeit und Wertschätzung erfahren als eher mittelmäßige Grosse Gewächse eines dank guten Marketings namhaften Weingutes. Umgekehrt aber gilt, dass wenig ansprechende Grosse Gewächse auf Dauer keine Spitzenpreise erzielen und gute Bewertungen erhalten.

Doch gleich, welche und wie viele Schwächen man dem GG-Konzept des VDP zuschreibt: Womöglich verhält es sich damit wie mit der Demokratie. Unter den vielen schlechten Regierungsformen gilt sie nach vor als die am wenigsten schlechte. Und blickt man auf die ersten zwanzig Jahre GG nicht allein mit der Theorie im Kopf, sondern mit einem Glas in der Hand, dann lässt sich ermessen, welchen Weg der VDP in vergangenen zwanzig Jahren stellvertretend für den deutschen Weinbau gegangen ist: Das Bezeichnungschaos, das es im deutschen Weinbau gibt, weil Prädikate wie Kabinett, Spät- und Auslese noch immer nicht ausschließlich für „off-dry“-Weine stehen, wie es im Englischen heißt, ist innerhalb des VDP definitiv Geschichte. Und was das internationale Ansehen der deutschen Weine angeht, so ist es müßig darüber zu spekulieren, ob es sich in den vergangenen zwanzig Jahren auch ohne die GG so gut entwickelt hätte, wie es ohne Zweifel der Fall ist. Was die „Sichtbarkeit“ deutscher Spitzenweine angeht, so hätte es wohl keine bessere Strategie geben können als die, mit trockenen Spitzenweinen den Anspruch zu erheben, dass trockene Weine aus Deutschland es nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis mit den besten Weiß- und Rotweinen der Welt aufnehmen können.

Und das nicht zuletzt auch wegen ihres nahezu einzigartigen Potentials, über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte immer besser zu werden. Die mehr als hundert GG aus allen Jahrgängen seit der Einführung dieses Konzeptes, die aus Anlass der zwanzigsten Wiederkehr der Taufe der ersten Grossen Gewächse am 23. August 2022 im Jagdschloss Platte in der Nähe von Wiesbaden gezeigt wurden, waren dafür ein eindrücklicher Beleg: Perfekt gereift und stilistisch die Herkunft, den Jahrgang und die Handschrift eines Weingutes in einem Glas versammelt – so viele so gute Weine aus so vielen Regionen und Rebsorten hat es in Deutschland niemals zuvor gegeben. Und die Entwicklung ist noch nicht zu Ende.

P.s: Als Kurator und Mitautor der FAZ-Serie „Zur Lage des Weins“ sowie als Träger der erstmals verliehenen VDP-Trophy „Herkunft Deutschland“ hatte der Verfasser dieser Zeilen im Jahr 2001 die Ehre, zur Eröffnung der Mainzer Weinbörse eine Ansprache zu halten. Deren längster Teil kreiste schon damals um das Reifepotential deutscher Weine, das damals weithin als nicht sonderlich groß eingeschätzt wurde. Zum Beleg dieser Einstellung wurden zwei Begebenheiten geschildert: „Ein renommierter Rheingauer Winzer berichtete vor kurzem von einem denkwürdigen Schreiben eines angesehenen Hotels, ob man den Wein des neuen Jahrgangs haben könne. Was von dem vorhergehenden Jahrgang übriggeblieben sei, würde man kostenlos zurücksenden.“ Nicht genug damit. Der Besitzerin eines renommierten Weingutes an der Saar war Ähnliches widerfahren: „Sie könne ihren alten Wein gleich mitnehmen, wurde ihr in einem renommierten Münchner Hotel angeboten.“

Der Redner hielt dagegen: „Der Mut, den man braucht, um sich im Handel und in der Gastronomie mit älteren Weinen zu schmücken, ist sicher der Mut zum wirtschaftlichen Risiko. Ich kann mir jedoch vorstellen, dass dieser Mut auf Dauer belohnt wird. Durch faszinierend-komplexe Weine, authentisch, klassisch, die noch nach Jahren so frisch und unberührt schmecken wie manche nicht nach einem Jahr.“

Auch in dieser Hinsicht hat der VDP in den vergangenen zwanzig Jahren Maßstäbe gesetzt. Immer mehr Betriebe gehen dazu über, ihre weißen GG frühestens zwei Jahre nach der Lese zu zeigen, die roten mitunter erst nach drei oder vier. Zurück in die Zukunft.