Weinbau?
Natürlich nachhaltig!

Der VDP gilt beim Thema Nachhaltigkeit wie in vielen anderen Bereichen des deutschen Weinbaus als Vorreiter und Taktgeber. Tatsächlich sind schon 50 der rund 200 VDP.Weingüter ökologisch zertifiziert, also mehr als 25 %. Im Vergleich: deutschlandweit sind es derzeit 4-5 %. Aber auch ohne Ökozertifikat tun unsere VDP.Winzer vieles, um getreu der Qualitätsphilosophie des VDP, Weinbau im Einklang mit der Natur zu betreiben.

700 Jahre Nachhaltigkeit

Bürgerspital, Würzburg. Eine Stiftung mit über 700 Jahren Geschichte, hohem sozialen Engagement und einer großen Weinbautradition. „Das alles verpflichtet natürlich“, sagt Weingutsdirektor Robert Haller. Also geht man mit den Weinbergen – ein 120 Hektar umfassendes, einzigartiges Lagenportfolio – sehr behutsam und nachhaltig um. Denn sie sind nicht nur die Grundlage für herausragende Weine,  sondern sie dienen auch der Wirtschaftlichkeit und damit dem Erhalt der Stiftung.

Das Bürgerspital ist EcoStep zertifiziert – eine Zertifizierung, die unter Mitwirkung der Hochschule Geisenheim speziell für Weinbetriebe entwickelt wurde. „Damit erfüllen wir sicher 70 % der ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen“ so Robert Haller. Weiter gibt es ein Leitbild. „Wir erhalten, fördern und entwickeln die uns über Generationen hinweg anvertraute, kultivierte Weinlandschaft. Dabei steht Beständigkeit immer vor Kurzlebigkeit“ heißt es dort. Und: „Wir fühlen uns verantwortlich für eine möglichst umwelt- und ressourcenschonende sowie nachhaltige Wirtschaftsweise im Einklang mit der Natur.“  Das sind nicht nur schöne Worte. Das Leitbild wird tagtäglich in Taten umgesetzt, wofür der Betriebsdirektor höchstpersönlich sorgt, denn er nimmt es „todernst“.

Was funktioniert, hat recht

„Aus dieser Haltung heraus“, sagt Robert Haller, „haben wir auch schon Projekte gehabt, in denen wir einzelne Bereiche ökologisch bewirtschaftet haben. Nicht um umzustellen, sondern um zu sehen: Was passiert da? Was können wir übernehmen und was nicht? Wo können wir lernen? Wir haben in unserem Pfaffenberg schon seit über 50 Jahre Nussbäume, die unter Naturschutz stehen, die unsere Weinberge mit einem Biotop aus Untergehölz aufbrechen. Oder wir haben in neu angelegten Weinbergen jetzt auch Blühstreifen angelegt. Das sind nur ein paar Beispiele. Wir haben gelernt, dass Vielfalt und Biodiversität wichtige Punkte sind. Ich bin da allem gegenüber aufgeschlossen. Was funktioniert, hat recht.“

Mehr als Energie- und Ökobilanzen

Allerdings betont Haller, dass in seinem Weingut schon vom Stiftungsgedanken her das Thema Nachhaltigkeit nicht auf Energie- und Ökobilanz beschränkt sein kann. Das Bürgerspital legt auch großen Wert auf eine leistungsgerechte Bezahlung der Mitarbeiter, die es dem Betrieb mit großem Einsatz und ebenso großer Treue danken – „die allermeisten verlassen uns“, sagt Robert Haller schmunzelnd „nur aus Altergründen“.  Auch sichert man im Bürgerspital langjährigen Kunden aus Gründen der Fairness Kontingente, wenn die Erträge eines Jahrgangs gering ausfallen. Und da sind ja auch noch die Seniorenwohnstifte, die Tagespflege, der ambulante Dienst, ein Geriatriezentrum und zahlreiche Immobilien... Alles Einrichtungen, die auf die Erträge des Weinguts angewiesen sind.

2 Weingüter – 100 % Öko

Das Bürgerspital Würzburg erfüllt, wie wir vom Gutsdirektor gehört haben ,70% der ökologischen Nachhaltigkeitsanforderungen. Wie aber sieht es aus, wenn man es zu 100 % tut? Oder gar noch darüber hinaus? Dazu schauen wir uns zwei VDP.Weingüter im Rheingau an: das Weingut Peter Jakob Kühn in Oestrich-Winkel, bekannt für seine tiefgründigen Rieslinge und für eine einmalige Konsequenz in Sachen ökologischer Weinbau. Und das Weingut Kaufmann im benachbarten Eltville–Hattenheim, erst seit ein paar Jahren am Start und dennoch schon ganz vorne in den Rankings der Weinfachpresse. Beide Weingüter sind nicht nur nach ökologischen Richtlinien zertifiziert, sondern arbeiten biodynamisch.

Zwei ganz persönliche
Wege zur Biodynamie

Das Weingut Peter Jakob Kühn liegt idyllisch inmitten der eigenen Reben, ein Aussiedlerhof. Früher war es im Ortskern, beschränkt, man machte eben Wein, wie es die Verhältnisse zuließen. Bernhard Kühn erzählt, dass seine Eltern so richtig auf das Thema Ökologie kamen, als seine Schwestern und er geboren wurden, Ende der 1970er Jahre bis Mitte der 80er. Da frage man sich ganz grundsätzlich, was denn gut ist– für die Kinder, für sich selbst, für die Natur. Ökologie war darüber hinaus überhaupt ein Thema, das so ganz langsam ins öffentliche Bewusstsein rückte. Sprung ins Jahr 2013. Der ökologische Gedanke ist fest etabliert in der Gesellschaft und Mainstream geworden. Zumindest gedanklich, aber bei weitem nicht immer im Handeln. In diesem Jahr erfüllen sich in Oestrich Winkel Eva Raps und Urban Kaufmann einen Traum: mit der Übernahme des Weinguts Hans Lang. Das hatte bereits mehrere Jahre ökologisch ausgerichtet gearbeitet. Als Quereinsteiger – Urban Kaufmann als Leiter einer der besten Appenzeller Käsereien, Eva Raps als langjährige Geschäftsführerin des VDP – hätten sie es niemals gewagt, einen konventionellen Betrieb auf ökologisch umzustellen. Urban Kaufmann sagt: „Selbst gestandene Winzer haben ja bei der Umstellung viel Lehrgeld bezahlt. Für den Weinberg ist das eine riesige Veränderung. Und für Winzer eine richtige Challenge.“ Eva Raps konkretisiert: „Das ist, wie wenn Sie jahrelang Antibiotika genommen haben und jetzt umsteigen auf andere Methoden – das geht auch nicht hopplahopp, das braucht viel Zeit und Erfahrung.“

Ohne sich im Dickicht der EU- und Verbandsverordnungen verirren zu wollen, kann man vereinfacht sagen: Ökologisch zertifiziert sind Weingüter, die prinzipiell auf synthetisch hergestellte Herbizide, Pestizide und Kunstdünger verzichten. Stattdessen setzt man vor allem auf den Weinberg als ein sich selbst regulierendes Ökosystem, präventive Maßnahmen und auf organische Spritzmittel wie Kupfersulfat. Die Biodynamie geht noch eine Stufe weiter und folgt den Gedanken Rudolf Steiners, der, unter anderem Goethes Naturbeobachtungen folgend, eine ganzheitliche, spirituelle Sicht auf die Natur hatte und daraus Regeln ableitete – auch für den Weinbau.

Ökowinzer wird niemand über Nacht

Allgemein rechnet man heute 3 Jahre, bis aus einem konventionellen ein ökologischer Weinbetrieb wird. Bei den Kühns in Oestrich-Winkel verlief das über einen erheblich längeren Zeitraum. „Der erste Schritt war, dass meine Eltern aufgehört haben, Herbizide zu verwenden. Wenn man die einsetzt, vernichtet man nicht nur das Unkraut, sondern auch die ganzen Mykorrhiza-Pilze  – also die kleinen pilzlichen Fortsetzungen der Wurzeln , der Pflanzen. Sie sind zentral für die Nährstoffaufnahme aus dem Boden, die gilt es zu schonen. Wir brauchen Pflanzen, die von sich aus über mehrere Jahre ein ausgewogenes Wachstum entwickeln können. Die über die Photosynthese und das Zusammenleben mit diesen Pilzen den Boden ernähren und auch aufbauen und bilden. Weil: Ohne Pflanze kein Boden! Das waren so die ersten Schritte bis Mitte der 90er Jahre.“ Und dann? „2004 war es so weit, dass alle Weinberge ökologisch und im gleichen Schritt auch biologisch-dynamisch und Demeter zertifiziert bewirtschaftet werden konnten.“ 

Beim ökologischen und biodynamischen Weinbau geht es darum, dass im Weinberg Lebendigkeit gefördert wird: über Kompost, Begrünung, vielfältige Einsaaten. Über diese teilweise Abmilderung der Monokultur, die der Weinbau ja ist, soll erreicht werden, dass dort viele Insekten, Käfer, Würmer, Vögel leben können.

Biodynamie: Der Spirit
macht den Unterschied

Was ist denn nun der Unterschied zwischen ökologisch und biologisch-dynamisch? Bernhard Kühn: „Das sind letztendlich Nuancen. Ich würde sagen: ökologisch ist die Grundlage der nachhaltigen Landwirtschaft. Die Biodynamie setzt zusätzlich noch ein bisschen mehr Sensibilität voraus, was die Beachtung der natürlichen Gesetzesmäßigkeiten angeht. Zum Beispiel die Sonnen- und Mondphasen, die in unserem ganzen Leben Bedeutung haben, die wir aber nur noch unterbewusst wahrnehmen. Wir beachten diese Dinge gar nicht mehr, wir haben sie schlicht vergessen. Wir wissen alle: Es gibt Chemie, Physik, beobachten alles in Modellen und im Kleinsten – aber die natürlichen Rhythmen sind eben auch Naturgesetze, nur dass wir sie irgendwie verdrängt haben. Ich sage immer: Es kommt viel auf die eigene Beobachtung an. Dass man als Landwirt, als Gärtner wieder hinschaut. Was wächst eigentlich auf meiner Wiese? Wie verhält sich die Pflanze, wenn ich sie jetzt aussäe oder zu einem anderen Zeitpunkt usw. Also ganz grundsätzliches, handwerkliches Feingespür für den Umgang mit Pflanzen.“ 

Die Präparate und ihre Geheimnisse

Unabdingbar für die Biodynamie ist auch die Verwendung von pflanzlichen Präparaten, die zum Schutz oder zur Stärkung der Reben gespritzt werden. Etwa Brennnessel oder Baldrian. Urban Kaufmann: „Nehmen wir das Beispiel Baldrian. Das funktioniert ja auch bei Menschen – es beruhigt und wärmt z.B. bei Erkältungen. Im Frühjahr 2017 war Frost angesagt. Baldrian regt quasi den Wärmehaushalt in der Rebe an, also haben wir Baldrian auf die Reben gesprüht. Tatsächlich haben wir dann so gut wie keine Schäden gehabt. Ob´s am Baldrian lag? Es ist wie bei der Homöopathie, die ja auch auf Rudolf Steiner zurückgeht. Naturwissenschaftlich beweisen kann man´s (noch) nicht – aber es wirkt. Und wir hatten auf jeden Fall ein gutes Gewissen, etwas getan zu haben ;). “ Wie man allein aus dieser Anekdote sieht, sind biodynamische Präparate ein spannendes Thema. Wer mehr davon lesen und wissen möchte, dem empfehlen wir an dieser Stelle Eva Raps’ Blog auf der Webseite des Weinguts. Dort findet man sehr viele anschauliche Schilderungen aus der Praxis – und teils verblüffende Erkenntnisse.

Im Ernstfall, etwa einem drohenden oder akuten Befall des Falschen Mehltaupilzes, bleibt auch dem ökologischen bzw. biodynamisch arbeitenden Winzer nichts anderes übrig, als zum zwar organischen, aber dennoch für Mikroorganismen toxischen Kupfersulfat zu greifen. Dabei wird man – wie beim nicht-ökologischen Weinbau auch - versuchen, durch Präzision und Dosierung beim Sprühen die Umwelt nicht zu sehr zu belasten. Ein anderes Beispiel: Wenn unsere possierliche Feldmaus aus dem Titel zur echten Plage werden würde, müsste sie der Winzer ebenfalls bekämpfen, um die Wurzeln der Reben zu schützen –  etwa gezielt durch Vergrämung oder mit Hilfe natürlicher Feinde wie Bussard oder Katze.

Kann man Bio schmecken?

Kommen wir zur abschließenden Frage: Schmecken Bioweine anders? Von der Theorie her müsste die Antwort „Ja“ lauten. Denn je natürlicher der Boden, desto individueller ist er und desto eigenständiger und charakterstärker sollte der Wein sein, der auf ihm wächst. Allerdings haben wir schon beim Bürgerspital gesehen, dass hier ja auch die Eigenarten der Böden gepflegt und herausgearbeitet werden – und die Weine dementsprechend unterschiedlich und charakterstark schmecken. Denn da ist ja auch noch die Arbeit im Keller. Bernard Kühn: „Ich sag’s mal so: Biologisch-dynamisch im Weinberg zu arbeiten heißt nicht, dass die Weine dann auch in der Flasche eine andere Lebendigkeit haben. Man kann da eben auch im Rahmen des ökologischen Weinbaus noch viel machen - auch kaputt machen.“ Allerdings, fügt Bernhard Kühn hinzu: „Wer innerlich von der ganzen Sache überzeugt ist, möchte natürlich, dass die Weine Strahlkraft haben, die lebendige Natur schmecken lassen. Das hat dann auch zur Folge, dass die Weine aus ökologischen oder biodynamischen Betrieben doch anders schmecken. Eben weil die Winzer andere Entscheidungen treffen, weniger Eingriffe im Keller, weniger Schönungsmittel, gegebenenfalls keine Hefen zugeben, sondern auf die Weinbergs- und Kellerhefen bauen, dass die Schwefelgaben etwas kleiner ausfallen usw. Das sind aber alles persönliche Entscheidungen - nicht verbandlich und verbindlich vorgegebene Dinge.“

Wie man an unseren drei VDP.Weingütern sieht: Bei allen Unterschieden haben VDP.Winzer den unbedingten Willen, gemeinsam die Herkunft ihrer Weine herauszuarbeiten und dadurch die besten Weine, nicht nur Deutschlands, zu machen. Dass das nur mit und nicht gegen die Natur geht, versteht sich inzwischen für jeden VDP.Winzer von selbst.  

Danke an Eva Raps und Urban Kaufmann, Robert Haller und Bernhard Kühn für ebenso informative wie inspirierende Gespräche.

Wer sich weiter ins Thema vertiefen möchte, dem empfehlen wir neben den Publikationen und Webseiten der Verbände wie Ecovin oder Demeter noch zwei Bücher: Britt und Per Karlsson: Biodynamic Organic and Natural Winemaking, Stockholm 2012; 3. Auflage 2018, ISBN 978-178250-113-8 Nicolas Joly, Beseelter Wein, Hallwag Verlag 2000. ISBN-10: 3774251681/ISBN-13: 978-3774251687. Leider vergriffen, teils noch antiquarisch erhältlich.

©2019

Fotos: Andreas Durst, Nancy Boy, Spitzbarth und Partners

Illustration: Erica Guilane-Nachez, Adobe